Der Begriff Gamification wurde im Jahr 2002 vom britischen Programmierer Nick Pelling geprägt und beschreibt die Anwendung von Gaming-Elementen aus dem Unterhaltungsbereich auf nicht-spielerische – etwa didaktische – Kontexte.1 Im Folgenden soll zunächst auf eine Studie eingegangen werden, die untersucht, inwiefern die Gamification Einzug ins Bildungswesen gehalten hat. Anschließend werden konkrete Anwendungsmöglichkeiten beschrieben, die zeigen, wie Gamification eingesetzt und wirksam werden kann.
Für Marketingstrategien und Unternehmensführung wie auch im Gesundheitswesen gewinnt die Gamification zunehmend an Bedeutung. Ihre Übertragung auf pädagogische Inhalte scheint jedoch erst allmählich Fuß zu fassen. Dies besagt eine empirische Forschungsstudie, die untersucht, inwiefern Gamification im Kontext von Bildung benutzt wird.2
Die Studie stützt sich auf Untersuchungen, die den Effekt von Gaming-Faktoren in bestimmten Unterrichtsfächern beleuchten. Sie benutzt eine systematische Mapping-Struktur, um die erhaltenen Ergebnisse einzuordnen. Dabei werden folgende Kategorien berücksichtigt:
Zum einen erkundet die Studie die verschiedenen Richtungen, die sich zurzeit bei der Anwendung von Gamification im Bildungswesen finden lassen. Sie verweist aber ebenso auf Hindernisse und Bedürfnisse, die dabei eine Rolle spielen, wie beispielsweise den Wunsch nach technischer Unterstützung oder auch nach weiteren sinnvoll ausgerichteten Studien. Solche Studien sollten zuverlässig sowohl positive als auch negative Ergebnisse von Gamification in jedweder Art von Unterricht liefern, um so dabei zu helfen, geeignete Gaming-Elemente optimal in pädagogischen Kontexten einzusetzen.
Die Studie zeigt mithin auch, dass unbedingt mehr Grundlagenforschung betrieben werden sollte. Dies ist nötig, um gesicherte Aussagen darüber treffen, inwiefern sowohl die intrinsische (vom Lernenden selbst ausgehende) als auch die extrinsische (von außen an den Lernenden herangetragene) Motivation durch bestimmte Gaming-Faktoren verbessert werden können.
Während wohl nahezu jeder von sich behaupten würde, gern zu spielen, wird das Lernen häufig als unangenehm empfunden. Anstatt die beiden Bereiche zu trennen, leistet die Gamification nun eine Verbindung von Pflicht und Spaß, indem sie die notwendige Informationsgewinnung mit Bestandteilen aus dem Games-Bereich verbindet. Das Konzept der Gamification unterscheidet sich dabei grundsätzlich von jenem der “Serious Games”, das heißt von Spielen mit reiner Lern- oder Trainingsausrichtung, die etwa zum Zwecke der Wissensaneignung oder der Fitnessoptimierung konzipiert sind. Hinsichtlich Bildung und Unterricht macht die Gamification es sich vielmehr zum Ziel, den dem Menschen angeborenen Spieltrieb zu aktivieren, um so die Motivation insbesondere bei unbeliebten Aufgaben und Themenstellungen zu erhöhen.
Verschiedene Institutionen versuchen sich mittlerweile darin, die Gamification bei der Wissensvermittlung anzuwenden, mit Erfolg! Dabei geht es nicht um simple Lernspiele, wie wir sie etwa aus der Kindheit kennen, sondern um durchaus vielschichtige Spielanordnungen, bei denen das Ergebnis im Voraus jeweils noch nicht feststeht. Meist entfallen auch die Kategorien Richtig oder Falsch, und der Fokus verlagert sich eher darauf, sich eigene Methoden und Strategien auszudenken und diese innerhalb des Spielvorgangs auszuprobieren.
In diesem Zusammenhang werden übrigens nicht nur digitale Varianten ins Auge gefasst. Auch herkömmliche Brettspiele und Rollenspiele nämlich bauen – ganz ähnlich wie gewisse Computerspiele – auf zwischenmenschlicher Interaktion, auf Beziehungen und auf Kommunikation auf.
Durch die diversen digitalen Errungenschaften können Gaming-Elemente im Unterricht wirkungsvoll zur Geltung kommen. So können mit Geräten wie Smartphones, Tablets oder Laptops über Apps oder Programme nicht allein Wissen und Informationen übermittelt werden. Vielmehr sind damit auch einzelne Personen oder Gruppen in der Lage, spielerisch gegeneinander anzutreten, eine Mission (“Quest”) zu erfüllen, die eigenen Fortschritte festzuhalten, Feedback zu geben und bei Spielerfolgen Belohnungen zu bekommen.
Welche Gaming-Faktoren konkret zur Anwendung kommen, bleibt letztlich offen. Es gibt zum Beispiel Lernmanagementsysteme (LMS), die Tools anbieten, mit denen Quiz-Spiele à la “Wer wird Millionär” gestaltet und auf den entsprechenden Unterrichtsstoff angewendet werden können. Auch das Storytelling, in Videospielen eine wichtige Kategorie, findet Anwendung, indem beispielsweise Arbeitsaufträge oder Aufgabenstellungen in spannende Geschichten gekleidet werden.
Darüber hinaus kann mit dem Thema Konkurrenz spielerisch umgegangen werden. In Schulen wird dies häufig im Bereich der Naturwissenschaften getan, um diese eher unpopuläre Disziplin für die Unterrichtsteilnehmer attraktiver zu machen. Vorurteile, innere Blockaden und Hemmungen können spielerisch abgebaut werden, indem man etwa auf Experimente, Rätselformate oder gemeinschaftliches Arbeiten und damit auf emotionale Lernerfahrungen Wert legt. Ganz nebenbei wird auf diese Weise eine ursprüngliche Idee der Forschung wieder zu neuen Ehren erhoben – das Lösen von Rätseln.
Bei den “Alternate Reality Games” (Alternative Reality Spiele) schließlich werden die Grenzen zwischen Fiktion und Realität bewusst verwischt. Durch spezielle Fragestellungen sollen spielerisch Lösungen für reale Probleme gefunden und getestet werden – nur auf der Ebene eines Spiels. Gute Beispiele dafür sind die Online-Games der amerikanischen Game Designerin und -Theoretikerin Jane McGonigal, die etwa davon handeln, kreative Lösungsansätze für knapp werdende Ölressourcen, für den Klimawandel, für Hunger oder für Armut zu finden.5
Kritiker der Gamification bemängeln häufig, dass man konzentriertes, diszipliniertes Lernen und das Bearbeiten schwieriger Sachverhalte nicht durch Spaß und Spannung ersetzen könne. Doch scheint die Gamification bei genauerer Betrachtung gerade hier einen wertvollen Brückenschlag zu leisten. Denn Spiele stellen ihre Teilnehmer mitunter vor komplizierte, äußerst komplexe Herausforderungen – und wecken so den Drang, diese durch noch mehr Wissensaneignung und Kooperation zu meistern.
Dr. Moritz Schulz,
Geschäftsführer