Die Bedeutung von Personalisierung im Lernen kann nicht oft genug betont werden. Sowohl das Vorwissen als auch die persönlichen Stärken und Schwächen des Lerners sollten bei der Entwicklung eines Lernkonzeptes beachtet werden. Nicht vernachlässigt werden darf vor allem die individuelle Aufnahme und Speicherung von Wissen, die von Mensch zu Mensch verschieden ist. Um diese unterschiedlichen Wissensaufnahmen grob einteilen zu können, spricht man von verschiedenen Lerntypen. In einem vorherigen Artikel haben wir Ihnen schon einmal vier Lerntypen kurz vorgestellt. In diesem Artikel wollen wir uns diese verschiedenen Lerntypen noch einmal genauer angucken und um einige zusätzliche Lerntypen ergänzen. Was für das E-Learning natürlich besonders interessant ist, ist die Frage, wie man mit diesen unterschiedlichen Lerntypen umgeht und welcher Aufgabentyp am besten zu welchem Lerntyp passt. Darauf werden wir im Folgenden ebenfalls eingehen.
Die Annahme, dass verschiedene Lerntypen existieren, ist zwar weit verbreitet, jedoch empirisch nicht bewiesen. Was aber als erwiesen gilt, ist die Tatsache, dass Wissen durch verschiedene Wahrnehmungskanäle von Mensch zu Mensch unterschiedlich gut aufgenommen werden kann. Sehen Sie die im Folgenden erläuterten Lerntyp also eher als eine grobe Einteilung der Wissenserfassung, die Mischformen zwischen mehreren Lerntypen nicht ausschließt.
Bereits in den 70er Jahren definierte Frederic Vester1 vier unterschiedliche Lerntypen: Visuelle, auditive, haptische und intellektuelle Lerntypen.2
Der visuelle Lerner nimmt, wie der Name schon sagt, Informationen am besten mit dem Auge auf. Das bedeutet, dass er Wissen am einfachsten in Textform oder in Form von Bildern und Grafiken aufnehmen und abspeichern kann. Für visuelle Lerntypen bietet sich im E-Learning deshalb die textliche Aufbereitung von Lerninhalten an. Achten Sie allerdings darauf, dass Sie die Lernenden nicht mit reinem Fließtext langweilen, sondern versuchen Sie die Darstellung durch übersichtliche Graphiken, Bilder und Videos aufzulockern.
Der auditive Lerner lernt am besten, wenn er Dinge über das Ohr wahrnimmt. Das können sowohl von anderen Personen gesprochene Lerninhalte sein als auch selbst vorgelesene Texte. Im Kontext des Online Lernens bedeutet dies, dass ein auditiver Lerner den größten Lernerfolg erzielen wird, wenn die Inhalte mit Hilfe von Audiospuren oder Videos aufbereitet werden. Eine textliche Darstellung stellt ebenfalls kein Problem für die auditiven Lerntypen dar, da er diese durch lautes Vorlesen gut erfassen kann. Auch ein Blended Learning Szenario kommt dem Lernverhalten des auditiven Lerntyps entgegen, da er in einer Präsenzschulung das Wissen durch Gespräche und Vorträge besser speichern kann.
Der haptische bzw. motorische Lerntyp nimmt Informationen am besten nach dem „learning-by- doing“ Prinzip auf. Das bedeutet, dass er das beste Lernergebnis erzielt, wenn er die Informationen anfassen bzw. erleben kann. Praktische Durchführungen sowie eine aktive Einbindung in den Lernprozess kommen dem haptischen Lerntyp zugute. In einem Online Szenario muss dieses „Anfassen“ im übertragenen Sinne integriert werden. Eine reine textliche Darstellung wird haptische Lerner schnell langweilen. Lernspiele, Gamification-Elemente und Wissensabfragen werden diesem daher eher gerecht. Die Motivation kann ebenfalls mit Hilfe von Simulationen oder Virtual Reality Aktivitäten gestärkt werden.
Der intellektuelle Lerntyp oder auch abstrakt-verbale Lerntyp erfasst Informationen dann am besten, wenn er sich kritisch mit dem Thema auseinandersetzt und über den Sachverhalt nachdenkt. Dieser Lerntyp ist nicht ganz unumstritten, da Vester ihn als „überlegenen“ Lerntyp darstellt, da er sich insofern von den anderen unterscheidet, dass er der einzige ist, der Wissen über seinen Intellekt aufnimmt. Der Wahrnehmungskanal selbst ist für diesen Lerntyp nicht besonders relevant.3
Diese klassischen Lerntypen wurden im Laufe der Jahre um viele weitere Lerntypen ergänzt. Im Folgenden wollen wir Ihnen eine Auswahl von fünf zusätzlichen Lerntypen vorstellen, die von Jürgen Hüholdt, Gründer des Studienkreises, definiert wurden.4
Dem kommunikativen Lerntyp fällt das Lernen durch Gespräche und Diskussionen am leichtesten. Im E-Learning kommt diesem Lerntyp das Social Learning also sehr entgegen. Austauschmöglichkeiten mit anderen Lernenden und/oder Administratoren, wie z.B. in Foren, helfen dem kommunikativem Lerntyp dabei, das Gelernte zu festigen und abzuspeichern. Auch ein Blended Learning Szenario oder Webinare können diesem Lerntyp beim Auffassen helfen.
Der olfaktorische Lerntyp verbindet Lerninhalte mit Gerüchen und kann Informationen dann am besten abrufen, wenn er den Geruch erneut riecht. Für ein klassisches Online Lernszenario ist diese Lernumgebung natürlich nicht umsetzbar. Wenn Sie allerdings zusätzlich auch Präsenzschulungen anbieten, können Sie diesen Lerntyp als Inspiration für neue und innovative Aufgabenstellungen vor Ort nutzen.
Der personenorientierte Lerntyp stellt ein ähnliches Lernverhalten wie der kommunikative Lerntyp dar. Er lernt am besten, wenn der Lehrer oder der Vortragende ihm sympathisch ist. Dies lässt sich im Online Lernen nur indirekt umsetzen. Personen können virtuell dargestellt werden und durch Storytelling personalisiert werden. Lernbegleiter (wie z.B. Clippy bei Microsoft Ribbon Hero) können ebenfalls hilfreich sein. Auch Audiospuren können dem personenorientiertem Lerntyp bei der Wissensaufnahme und -speicherung helfen.
Der medienorientierte Lerntyp hat eine ähnliche Wissensaufnahme und -speicherung wie der haptische Lerntyp. Diese Art von Lernern erarbeitet sich das Wissen gerne selbst und nutzt dazu am liebsten verschiedene Medien. Im E-Learning können Sie diesen Lerntyp beispielsweise so unterstützen, dass Sie ihn auf ergänzende Inhaltsquellen verweisen und ihm so eine zusätzliche selbstständige Recherche ermöglichen.
Für den sinnanstrebenden Lerntyp stellt die Frage „Warum“ einen zentralen Bestandteil des Lernens dar. Lerninhalte müssen gut begründet und detailliert präsentiert werden, damit dieser Lerntyp das Gelernte gut abspeichern kann. Beim E-Learning können Sie diesen Lernern entgegenkommen, indem Sie genaue Erklärungen für Sachverhalte liefern und ggf. zusätzliche Verweise zu anderen Quellen liefern.
Wie bereits erwähnt, sind diese Lerntypen nicht ganz unumstritten, da es noch zu wenige wissenschaftliche Belege gibt. Zwar hat jeder Mensch wahrscheinlich einen oder vielleicht auch mehrere präferierte Lernsinne, jedoch sollten Sie sich keinesfalls nur auf einen einzelnen Wahrnehmungskanal bei der Wissensvermittlung beschränken. Hören wir Informationen nur, vergessen wir in kürzester Zeit etwa 80 % des Gesagten. Beim Lesen beträgt die Vergessensrate immer noch ca. 70 %. Nehmen wir Informationen auditiv und visuell auf, können wir uns immerhin noch an etwa die Hälfte der Informationen erinnern. Wird dies durch Sprechen und Kommunikation ergänzt, sinkt die Vergessensrate auf ca. 30 %. Am besten lernen wir, wenn wir im Lernprozess Informationen hören, sehen, sprechen und aufschreiben. Dann kann das Gehirn etwa 90 % der Informationen abspeichern.5 Diese Prozentzahlen unterscheiden sich natürlich von Mensch zu Mensch und auch von Lerntyp zu Lerntyp. Auditive Lerntypen beispielsweise werden sich natürlich erheblich mehr von den gesprochenen Informationen merken können. Jedoch wird auch dieser Lerntyp besser unterstützt, wenn er zusätzlich zu seinem präferierten Wahrnehmungskanal auch auf andere Art und Weise das Wissen verarbeiten kann.
Versuchen Sie also bei der Erstellung von E-Learning-Kursen darauf zu achten, das Wissen über möglichst viele Wahrnehmungskanäle an Ihre Lerner weiterzugeben. So helfen Sie Ihren Teilnehmern dabei, möglichst viele Informationen abzuspeichern und kommen außerdem dem Lernverhalten der verschiedenen Lerntypen entgegen. Testen Sie doch einfach einmal selbst, welchem Lerntyp Sie am ehesten entsprechen. Im Internet finden Sie viele kostenlose Tests, z.B. hier.
Was sind Ihre Erfahrungen mit verschiedenen Lerntypen im E-Learning? Hinterlassen Sie uns gerne einen Kommentar, wir freuen uns auf Ihre Anmerkungen bezüglich dieses Themas!
Dr. Moritz Schulz,
Geschäftsführer